Die Uranfabrik in Narbonne Malvési

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Das Thema Atomkraft ist komplex und umfangreich. Ob (Kletter)Aktionen, Recherchereisen und Publikationen oder Kampagnenarbeit: Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt bei den Atomtransporten und der internationalen - insbesondere der deutsch-französischen - Vernetzung.

Auf dieser Seite ist ein Dossier über die Uranfabrik von Narbonne Malvési zu finden.

Über die Häfen von Le Havre, Sète, Hamburg und Rotterdam werden regelmäßig große Mengen Uranerzkonzentrat umgeschlagen. Das Uran, das unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen in den Abbauländern ein erstes mal verarbeitet wurde, kommt per Schiff in konzentrierter Form an. Die radioaktive Fracht wird von dort zur AREVA Fabrik nach Narbonne-Malvési (Süd-Frankreich) weiter transportiert, um dort raffiniert und in Urantetrafluorid (UF4) umgewandelt zu werden. Das ist eine Vorstufe zur Produktion von atomarem Brennstoff für die Atomkraftwerke in aller Welt. Ich habe mich im September 2014 auf dem Weg nach Narbonne-Malvési gemacht. Ich habe mich umgeschaut, in Akten gewühlt, mit Antiatom AktivistInnen und einem ehemaligen Werkmitarbeiter gesprochen.

Was ich dort erfahren habe, machte mich stutzig! Die Anlage ist kein UFO, sondern ein USO, ein undefinierbares strahlendes Objekt! Es wird mit radioaktiven Stoffen gehandelt, die Anlage gilt offiziell jedoch nicht als „kerntechnische Anlage“. Und wenn WerksarbeiterInnen an Leukämie erkranken, kann und darf es eigentlich gar nicht sein.Es gibt offiziell doch keine Atomanlage... Auch fühlt sich die atomare Aufsichtsbehörde (ASN) für die Transporte von Uranerzkonzentrat und Urantetrafluorid (UF4) nicht zuständig, weil diese ja so wenig strahlen, dass sie nicht als Atomtransporte eingestuft werden. Über diese Transporte gibt es deshalb keine Daten und keine Untersuchungen. Die Behörde weiß nicht ein mal wie viel transportiert wird. Sich länger in der Nähe von diesen ach so ungefährlichen Transporte darf man jedoch nicht. Es ist vorgeschrieben, dass die LKWs auf Raststätte mit Publikumsverkehr keinen Halt machen dürfen – das sagt wiederum die ASN, die sich sonst für diese nicht-Atomtransporte nicht zuständig fühlt

Die (nicht)atomare Uranfabrik in Narbonne Malvési

Interview - Der Kampf eines Arbeiters gegen die Leukämie

Blockade eines UF4 LKW und symbolische 1 Euro Strafe vor Gericht

la rafinerie d'uranium de Narbonne Malvési

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Die (nicht)atomare Uranfabrik in Narbonne Malvési

Was wird aus dem Uran, das im Hamburger Hafen immer wieder umgeschlagen wird? Es gibt durch den Hamburger Hafen zahlreiche Atomtransporte. Gegen diese Transporte gibt es eine Kampagne. Als mir bewusst wurde, dass große Mengen Uranerzkonzentrat in Hamburg umgeschlagen werden und dann nach Frankreich, nach Narbonne, weiter transportiert werden, habe ich angefangen zu recherchieren. Von der AREVA-Fabrik in Narbonne-Malvési hatte ich nie was gehört – obwohl ich in Frankreich aufgewachsen bin und die Atomkraft bei meiner politischen Arbeit seit Jahren Thema ist. Malvési ist, ob in Frankreich oder Deutschland, eine unbekannte Uranfabrik, obgleich sie in der atomaren Kette vom Rohstoff zum Brennstoff (und zum Atommüll) eine Schlüsselrolle spielt. Dort fängt die Atomspirale auf europäischem Ebene an – auch wenn die Anlage offiziell nicht als Atomanlage klassifiziert ist. 26% des weltweiten Uranrohstoffes wird dort verarbeitet.Es gibt weltweit fünf weiteren Anlagen (Kanada, China, USA, UK und Russland). Der AREVA-Konzern exportiert 58% seiner Produktion in aller Welt. Es sind Gründe genug, sich für diese Anlage zu interessieren!

Narbonne ist eine 50 000 Einwohnerstadt in Süd-Frankreich, unweit von der Mediterrane. 1959 wurde die industrielle Zone Narbonne-Malvési (oder Narbonne-Malvezy) für den Bau einer Uran-Raffinerie ausgewählt. Ein „ziviles“ Atomprogramm gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Frankreich wollte aber die Atombombe. Dafür waren diverse Uranverarbeitungsanlagen nötig.

Heute wird in Malvési Uranerzkonzentrat, das aus Uranminen der ganzen Welt (u.a. Kanada, Niger, Namibia, Usbekistan, Kasachstan) verarbeitet. Die letzten französischen Uranminen wurden um das Jahr 2000 geschlossen. Das Uran stammt zu 100% aus dem Ausland. Das Uranerzkonzentrat oder „Yellow Cake“ (U3O8) wird chemisch behandelt und schließlich in Urantetrafluorid (UF4) umgewandelt. Dafür sind hoch giftige, ätzende Chemikalien wie Salpetersäure, gasförmiges Ammoniak und Flusssäure. Anschließend wird das UF4 zur einer weiteren AREVA-Anlage in ca. 200 Kilometer Entfernung nach Tricastin/Pierrelatte transportiert, um dort in Uranhexafluorid (UF6) verwandelt und schließlich angereichert zu werden.

Bei der Verarbeitung und Umwandlung des Urans entstehen große Mengen flüssiger und halb flüssiger giftiger schwach strahlender Abfall, der nun seit über 60 Jahren kontinuierlich in elf großen Abklingbecken geleitet wird. Die Becken erstrecken sich heute über ca. 30 Hektar. Der Standort wurde 1959 durch den CEA (Commissariat à l'énergie atomique) auf Grund des für die Verteilung der Radioaktivität günstigen Klimas ausgewählt. Die Gegen ist sehr windig und sehr sonnig, was die Verdunstung und die Verteilung begünstigt.

Keine Atomanlage... Aber...

Die AREVA Anlage in Narbonne-Malvési verarbeitet Uran, offiziell handelt es sich jedoch nicht um eine kerntechnische Anlage (Installation nucléaire de base INB). Eine solche Klassifizierung gibt es nur für Anlagen die eine gesetzlich festgelegte Menge an Radioaktivität verarbeiten. Beim Uran liegt diese Grenze bei einer Million Becquerel. Verarbeitet wird diese Menge nicht – bei der Lagerung des Urans (Rohstoff, Abfall, etc.), die mit der Verarbeitung des Urans einher geht, wird die Grenze von einem Million Becquerel deutlich überstiegen, aber das zählt nicht...

AREVA darf 400 mal diese Menge als umschlossene Strahlenquelle lagern. 24 Millionen mal diese Menge in den im Produktionskreisverlauf vorkommenden uranhaltigen Produkten. Sowie eine Milliarde mal diese Mengen bei der Zwischlenlagerung von Uranerzkonzentrat und von Endprodukten. In den elf Abklingbecken wird diese Menge 60 Millionen Mal übertroffen.

Der Grund weshalb die Anlage nicht als Kerntechnische Anlage gilt, ist eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2007, es wurde beschlossen, dass die Grenzwerte für nicht angereichertes Nartururan nicht gelten! 2004 lagerten mehr als 400 000 Tonnen nitrathaltiger radioaktiver Abfall. Das entspricht ca. 400 Tonnen Uran. Die Anlage ist also keine „kerntechnische Anlage“. Sie ist aber immerhin wegen der chemisch hochgefährlichen Stoffen SEVESO II klassifiziert.

Obwohl AREVA nach der Fukushima-Katastrophe 2011 Japan als großen Abnehmer verloren hat, wird die Anlage derzeit weiter erweitert. 2013 wurden 12 454 UF4 Tonnen verarbeitet. Die Produktionskapazität soll nun auf 21 000 Tonnen pro Jahr erhöht werden. Die Bauarbeiten sind zugange. Es gibt derzeit ca. 300 Angestellte (die Subunternehmen sind nicht mitgezählt).

Über die Jahre gewachsen

Die AREVA Anlage in Malvési ist über die Jahre gewachsen. In Narbonne ist sie als Comurhex-Anlage bekannt. Comurhex war bis Anfang 2014 ein Tochterunternehmen von AREVA. Eine Restrukturierung führte dazu, dass AREVA nun der offizielle Betreiber ist. Die Menschen vor Ort sprechen aber noch von der „usine Comurhex“

Sandrinne vom „Café de la Poste“ in Narbonne war bis vor wenigen Jahren direkte Nachbarin von der Anlage. Sie hat mir erzählt, wie die Anlage über die Jahre gewachsen ist und wie ihre Familie schließlich vertrieben wurde.
Ihre Familie wohnte in Malvezy schon vor der Niederlasung der Uranfabrik. Als kleines Kind lief Sandrinne über die Felder. Von der Anlage war weit und breit nichts zu sehen. Doch der Zaun kam immer näher bis er das Haus von Sandrinne und ihrer Familie erreichte. Die Familie, die sich weigerte zu verkaufen und zu gehen, wurde faktisch eingezäunt. Selbst die Zuwegung gehört AREVA. Der Konzern muss aber der Familie und dessen BesucherInnen die Durchfahrt gestatten. Die Oma von Sandrinne wohnt seit über 80 Jahren im Haus. Sie weigerte sich es zu verlassen, als es nach einem Zwischenfall bei der Comurhex doch an AREVA verkauft wurde und die Enkelkinder es nicht mehr aushalten konnten.

Der Betreiber, der damals noch Comurhex hieß nutze geschickt ein schwerwiegender Zwischenfall mit radioaktiver Verseuchung der Umgebung um die Familie zu vertreiben. Sandrinne hatte an diesem 20. März 2004 FreundInnen zu ihrem Geburtstag eingeladen. Diese riefen sie an und fragten ob sie nach dem Unfall in der Uranfabrik noch kommen sollten. Sandrinne viel aus allen Wolken und schaltete das Radio ein. In der Tat, es war die Rede von einem Zwischenfall mit radioaktiver Verseuchung die Rede. Sie ging um das Haus und stellte fest, dass ein undefinierbarer Schlamm die Rückseite des Hauses erreicht hatte. Der Damm eines Abklingbecken war ausgelaufen, 30 000 m3 uranhaltigem Schlamm liefen aus, bis um Schlimmeres zu verhindern, eine Sperre gebaut wurde. VertreterInnen der Comuhrex kamen erst 3 Tage später vorbei, um über den Vorfall zu informieren. Der Mitarbeiter erklärte, es sei alles harmlos, mit dem Schlamm könne man sein Garten düngen, es enthalte eine große Menge Phosphat.

Die Familie zeigte sich misstrauisch und wandte sich an die CRIIRAD, ein unabhängigs Labor zur Messung von Radioaktivität. Proben wurde genommen. Die Untersuchung wies radioaktive Elemente wie Plutonium und Radium nach. Die Comurhex erklärte zunächst es sei nicht möglich, die Ergebnisse würden nicht stimmen. Plutonium kommt in der Natur nicht vor. Eine zweite Analyse offizieller Seite bestätigte 2009 die Ergebnisse der CRIIRAD. Die Comurhex musste schließlich zugeben, dass in Malvési nicht nur Natururan verarbeitet wurde. Bis in die 80er Jahre wurde Uran aus der Wiederaufbereitungsanlage verarbeitet. Dies wurde eingestellt, weil das Verfahren besonders teuer und aufwendig war, die Ergebnisse waren nicht zufriedenstellend.Das reichte aber für eine Verseuchung der Anlage mit Plutonium aus. Wie ein Aktivist mir erzählte, wurde dies vom Betreiber Jahrelang bewusst verschwiegen. Ein „Déplutonisateur“ wurde in den 80er Jahre eingesetzt, das zeigt, dass der Betreiber wohl über die Präsenz von Plutonium Bescheid wusste.

Statt sich bei der Familie von Sandrinne zu entschuldigen, kam die Comurhex nach dem Unfall mit einem Angebot. Sie wusste, dass die junge Musikerin arbeitslos war und bot ihr Geld für den Verkauf des Hauses sowie einen Arbeitsplatz in der Anlage an.

er Arbeitsplatz wurde nicht angenommen. Angesichts der Verseuchung des Ortes entschied sich die junge Familie für den Verkauf des Hauses an die Comurhex – mit der Bedingung, dass die Oma, die nicht umziehen wollte, kostenfrei im Haus weiter wohnen dürfe. Die Comurhex ging darauf ein. Sie dachte, mit der über 90 Jahre alten Dame wird es sowieso nicht mehr lange dauern. Die Dame wird im Januar 2015 103 Jahre alt, wie sie mir stolz erzählte. „So schnell kriegen sie mich nicht weg“, sagte sie mit einem Lächeln. Sandrinne und ihr Freund haben mit dem Geld ein Café in der Innenstadt eröffnet. Dort finden zahlreiche kulturelle und politische Veranstaltungen statt. Am Tag vor dem Prozess der „Bloqueurs d'uranium“, der AktivistInnen die 2013 einen mit UF4 beladenen LKW rund 1,5 Stunden blockierten, kamen über 150 Menschen zur Veranstaltung im Café de la Poste, es passten nicht alle Menschen hinein

Weil Plutonium nachweislich in den Becken B1 und B2 vorhanden ist, soll nun eine Klassifizierung als kerntechnische Anlage erfolgen. Dies würde aber nur die Abklingbecken, also den Atommüll, betreffen und nicht die gesamte Anlage. AREVA und die atomare Aufsichtsbehörde haben keine Eile, die Prozedur läuft schon seit 2009. (Nachtrag aus 2015: die Tailings, die Plutonium gelten nun offiziel als Atomanlage - der Rest immer noch nicht.)

Die AtomkraftgegnerInnen verlangen eine Einstufung der gesamten Anlage als kerntechnische Anlage. Die Anlage verseucht die ganze Umgebung. Zahlreiche ArbeiterInnen erkranken an strahleninduzierte Krankheiten. Eine Klassifizierung der Anlage würde zu strengeren Arbeitsvorschriften führen.

Weitere Zwischenfälle

Der Dammbruch hat heute noch Folgen. ArbeiterInnen wurden damals zur Eindämmung der Katastrophe eingesetzt. Sie plantschten ahnungslos im hoch verseuchten Schlamm herum. Ein Arbeiter eines Subuntenrehmens, der dort ohne Schutzausrüstung Bohrungen vorgenommen hat, leidet heute an Leukämie. Er kämpft um die Anerkennung seiner Krankheit als Berufskrankheit. Die Sozialversicherung sagt aber, das ginge nicht, er habe nicht lange genug vor Ort gearbeitet. Wenn man weiß, dass die geringste eingeatmete Menge Plutonium eine Leukämie auslösen kann... das passt aber nicht in die bürokratischen Vorschriften

Andere Zwischenfälle, die zu Verseuchung geführt haben, ereigneten sich in den letzten Jahren.

Ende Januar 2006 wurde ein Teil der Anlage nach starkem Regen überschwemmt. Das Wasser lief dann in die diversen Becken. Dies führte zu einer sehr hohen Konzentration an Nitrat. (80 mg/l statt üblicherweise 20 mg/l)

Im August 2009 liefen Fluor und Uran aus, das verseuchte Wasser erreichte den Kanal von Tauran. Der Sigean-See wurde ebenfalls kontaminiert. Der Ort ist ein Tierschutzgebiet mit großem Touristen-Andrang im August. Das verseuchte Wasser gelangte schließlich ins Meer. Der Vorfall wurde mit anderthalb Tage Verspätung öffentlich gemacht.

Hinzu kommt, dass viele Arbeiter an strahleninduzierten Krankheiten leiden: Lungenkrebs, chronische myeloische Leukämie (CML), etc. Ob AREVA-Mitarbeiter oder Arbeiter von Subunternehmen: Es gibt keine Statistik, aber die Anzahl an Erkrankungen fällt auf. Selbst der Werksarzt und der Pförtner der Anlage sind an Leukämie gestorben. Unbekannt ist auch die Anzahl an Erkrankungen in der Bevölkerung um die Anlage. Es gibt keine Statistik dazu.

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Interview - Der Kampf eines Arbeiters gegen die Leukämie

Im südfranzösischen Narbonne wird in einer Anlage Uranerzkonzentrat raffiniert und chemisch umgewandelt. Das ist eine Vorstufe zur Urananreicherung, zur Produktion von Brennelementen oder auch Waffen. Das Uran wird u.a. über den Hamburger Hafen umgeschlagen.

Michel Leclerc, 63, hat in den frühen 80er Jahre in Narbonne-Malvési auf dem Gelände der Uranraffinerie der AREVA-Filliale Comurhex (heute ist AREVA der offizielle Betreiber) als Mechaniker gearbeitet. Wenige Jahre später erkrankte er an einer strahleninduzierten myelogenen Leukämie. Obgleich er heute noch unter den schweren Nebenwirkungen von Knochenmarktransplantation und Therapien leidet, hat Michel Leclerc den Kampf gegen die Leukämie erst ein mal gewonnen. Das Kapitel abschließen will er jedoch nicht. Die Uranfabrik in Narbonne-Malvési lässt ihn nicht los. Im Interview erzählt er von seinem Kampf gegen die Krankheit und von den juristischen Mühlen des Atomstaats. Er wird nicht müde, die menschenverachtenden Machenschaften der Atomlobby zu denunzieren.

Das Interview wurde von GWR-Mitherausgeberin Cécile Lecomte im September 2014 anlässlich einer Recherchereise über die unbekannte Uranfabrik durchgeführt.

Graswurzelrevolution: Wie bist du auf die Arbeit in der Uranraffinerie gekommen ?

Michel Leclerc: Ich bin durch Zufall in die Fabrik gekommen. Ich hatte nach einem Streit eine Arbeitsstelle gekündigt. Ein Freund, der arbeitete in Malvési für ein Subunternehmen, sagte mir dann: „Hey Michel, die stellen für einen Monat ein, willst du als Industriemechaniker arbeiten?“ Ich bin schließlich 4 Jahre geblieben.

Was war das für eine Arbeitsstelle? Warst du Atomarbeiter?

Ja, irgendwie Atomarbeiter ohne es zu wissen. Wir verfügten weder über eine Ausbildung noch über Informationen. Das ist von Bedeutung, denn wenn ich etwas weiß, dann passe ich auch auf, aber wenn ich gar nicht Bescheid weiß… Wir montierten Bauteile für die Revision ab, Förderbänder, Pumpen, Öfen. Dies mussten wir auch erledigen, als die Teile ausfielen und zum Teil noch mit uranhaltiger Lösung beladen waren. Es war sehr staubig, die Schutzmaske war ohne Belüftung, so dass wir sie nicht länger tragen konnten. Wir waren sehr schlecht ausgerüstet.

Wie sah die medizinische Versorgung und Betreuung aus? Wurdet ihr über die Strahlungsbelastung informiert?

Wir, die Arbeiter der Subunternehmen, wurden wie auch die Angestellten der Firma Comurhex medizinisch betreut. Es gab eine Blutuntersuchung alle 6 Monate und eine Urinprobe alle 15 Tage. Einmal im Jahr haben wir den Werksarzt gesehen, der hat uns einfach gesagt, alles geht gut. Über die Ergebnisse der Untersuchungen wurden wir nie in Kenntnis gesetzt. Ich habe auch nicht gefragt. Ich ging nicht davon aus, dass wir Strahlung ausgesetzt werden. Ich war naiv, aus Mangel an Ausbildung. Die Kollegen haben sich auch keine Fragen gestellt. Es gab Menschen, die nur zwei, drei Tage vor Ort gearbeitet haben. Die wurden weder informiert, noch medizinisch betreut. Ein Mensch wie Serge Beli, der den Auftrag hatte, Bohrungen in den Abklingbecken, die 2004 durch einen Dammbruch undicht wurden, durchzuführen, ist danach an Leukämie erkrankt. Aber die Anerkennung als Berufskrankheit scheiterte daran, dass er nur zwei Tage vor Ort gearbeitet hat. Das ist absurd, weil man nicht 6 Monate vor Ort sein muss, um verstrahlt zu werden. Einmal reicht. In den Becken, das haben die Untersuchungen ergeben, wurden Spuren von Plutonium gefunden!

Die Anlage verarbeitet aber nur Uranerzkonzentrat, darin ist kein Plutonium enthalten.

Der Haken ist, dass von 1959 bis 1983 Uran verarbeitet wurde, das bereits in Reaktoren eingesetzt worden war. Das ist kein Yellow cake mehr, das ist mit anderen Isotopen verseuchtes Uran. Aus diesem Grund sind in den Abklingbecken Spuren von Plutonium zu finden.

Du hast vier Jahre in der Anlage gearbeitet und diese dann 1984 verlassen. Wie ging es dann weiter?

Ich weiß nicht, ob ich Zweifel hatte, aber ich fühlte mich dort unwohl und bin gegangen. Wenn eine Sache mir nicht gefällt, dann gehe ich. Ich habe mich als Handwerker niedergelassen. Ich hatte immer wieder Phasen großer Müdigkeit, das konnte ich mir nicht erklären. 1983 als ich noch in der Uranfabrik gearbeitet habe, hatte ich mir schon Fragen gestellt, ich wurde da auch sehr müde, ohne zu verstehen woher es kam. Ich wurde für drei Tage ins Krankenhaus geschickt, zum Gesundheitscheck. Es hat aber nicht geholfen, ich kam nicht voran. Ich habe erst später erfahren, dass die große Müdigkeit zu den Anzeichen einer Kontamination mit Radioaktivität gehört.

Als ich dann 1991 auf Grund einer epigastrischen Hernie operiert wurde, schaffte ich es nicht wieder auf die Beine zu kommen. Der Arzt sagte: „Du bist wehleidig“. Das bin ich aber nicht, ich habe gesagt: „Es läuft irgendwas schief“. Sie haben nach der Ursache gesucht und es wurde eine myelogene Leukämie diagnostiziert. Diese Art von Leukämie ist dafür bekannt, dass eine Kontamination mit Uran sie auslösen kann. Ich habe eine Studie über Leukämiefälle im Zusammenhang mit den Bombenabwürfen in Hiroschima und Nagasaki gelesen, diese wurde durch das Krankenhaus in Bordeaux in Auftrag gegeben. Im Ergebnis war festzustellen, dass überwiegend chronische myelogene Leukämie festgestellt wurden.

Was ging dir durch den Kopf, als die Nachricht kam?

Ich habe versucht zu verstehen, der Arzt hat mich gefragt, wo ich denn in der Vergangenheit gearbeitet habe. Als ich die Uranraffinerie der Firma Comurhex erwähnt habe, da hat er sofort gesagt, sie müssen in dieser Richtung nach der Ursache suchen. Er sagte, es muss was passiert sein. Ich habe daraufhin einen Termin mit dem Werksarzt Gibert vereinbart. Ich war nicht wütend, ich wollte aber verstehen.

Da sagt mir der Werksarzt, dass im April 1983 Grenzwerte überschritten wurden. Aber das sei nicht weiter schlimm, sagte er. Ich habe später festgestellt, nachdem ich meine Krankenakte gestohlen habe, dass es mehrere Überschreitungen gegeben hat und dass in der Akte Ergebnisse von Blutproben nach April 1983 gänzlich fehlen. Entweder wurde einfach keine Blutentnahme mehr durchgeführt, oder die Verantwortlichen haben die Ergebnisse verschwinden lassen. Egal wie es gekommen ist, in beiden Fällen tragen sie meiner Meinung nach die Verantwortung. Ich habe damals auf Eigeninitiative Untersuchungen machen lassen, weil ich mich sehr müde fühlte. Meine weißen Blutkörperchen vermehrten sich immer weiter. Der Kontakt mit Uran, das ist nicht ohne. Es gibt keine ungefährliche Niedrigstrahlungsdosis. Insbesondere, wenn es um interne Kontamination geht. Das Uran siedelt sich in den Knochen an und strahlt im Körper weiter.

Du hast juristische Schritte gegen die Verantwortlichen der Anlage unternommen. Wie ist es gelaufen?

Die Leukämie wurde 1993 als Berufskrankheit anerkannt und ich werde auch entsprechend entschädigt. Das ging mir aber nicht weit genug. Ich habe mich gefragt, wer hier für die Fehler verantwortlich ist. Ich wollte an meine Akte ran. Ich wurde am 1. November 1993 für eine Knochenmarktransplantation im Krankenhaus aufgenommen. Ich habe Glück gehabt, ich habe die Transplantation überstanden und kam zweiMonate später raus. Dann habe ich versucht an meine Akte ran zu kommen. Ich werde keine Einzelheiten nennen, der Vorgang ist unglaublich, aber ja ich habe schließlich meine Akte gestohlen. Ich habe daraufhin einen Anwalt gesucht, das war nicht einfach, sie sagten, dass sie das tun können, wollten aber zuvor Geld sehen. Ich habe schließlich Maitre Faro ausParis kennengelernt – er verteidigt oft Greenpeace AktivistInnen – er war damit einverstanden, den Fall zu übernehmen.

Wir haben vor dem Arbeitssozialgericht auf Feststellung eines unentschuldbaren Fehlverhaltens geklagt. Das Gericht hat uns Recht gegeben. Ich hatte die Serci, das Subunternehmen bei der ich angestellt war, sowie die Comurhex als Drittunternehmen verklagt. Es wurde festgestellt, dass der Serci selbst kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, weil die Comurhex und nicht die Serci die medizinischen Untersuchungen durchführte. Der Haken ist, dass der Vertrag zwischen Serci und Comurhex unauffindbar ist. Schon wieder ein verschwundenes Dokument. Aus diesem Grund konnte die Comurhex für ihr unentschuldbares Fehlverhalten nicht verurteilt werden, Dritte können nicht verurteilt werden. Das Gericht stellte bei der Comurhex ein schweres unentschuldbares Fehlverhalten fest und verwies die Sache 1999 zur Klärung der Höhe eines Schmerzensgelds an die zivile Gerichtsbarkeit.

Nur… die zivile Gerichtsbarkeit das ist was anderes als das Sozialgericht. Die Schuld des Arbeitgebers muss eindeutig feststehen. Wir haben die Sache 2000 vors Zivilgericht gebracht. Wir haben in erster Instanz gewonnen, das unentschuldbare Fehlverhalten der Comurhex wurde festgestellt. Ein Sachverständiger wurde zur Evaluation der Schmerzensgeldhöhe durch das Gericht bestellt, eine Summe wurde im Urteil nicht genannt. Die Comurhex ging in Montpellier in Berufung und wir haben verloren. Es gibt das Gerücht, dass man in der Berufungsinstanz in Montpellier immer verliert. Das Verfahren ist seit nun über einem Jahr vor dem Cassassionsgericht (französischer Bundesgerichtshof) anhängig.

Hast du da Aussicht auf Erfolg?

Ich bin immer optimistisch. Selbst wenn ich verliere, kann ich mich im Spiegel anschauen, ich habe gekämpft. Ich kämpfe seit 20 Jahren. Ich mache die Menschen auf die Probleme aufmerksam, bringe sie zum nachdenken, das ist wichtig. Auch wenn ich vielleicht nicht gewinne. Es geht nicht nur um das Geld. Wenn ich gewinne, das ist die Krönung. Wenn ich verliere, dann ist es halt so. Ich will dann noch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen. Allein wegen der überlangen Verfahrensdauer. Das Verfahren dauert schon 20 Jahre. Das widerspricht Artikel 6 der Menschenrechtskonvention.

Du kämpfst dich heute nicht nur durch die Mühlen der Justiz …

Nein. Die Krankheit hat mein Leben verändert. Ich bin geschieden und hatte das Sorgerecht für meine beiden ersten Kinder, meine Tochter war 14 Jahre , mein Sohn 19, als die Krankheit ausgebrochen ist. Die beiden haben sehr gelitten. Ich gelte heute als geheilt, aber es gibt schwerwiegende Folgen. Die Therapie mit Ciclosporine hat Diabetes ausgelöst. Vor der Transplantation wurden mir fast alle Zähne gezogen. Die Strahlentherapien waren schwer zu ertragen. Ich bin heute über 60 und muss immer noch viele Medikamente zu mir nehmen.

Mein Kampf hat dazu geführt, dass ich noch am Leben bin. Ich würde allen Betroffenen empfehlen zu kämpfen.

Bist du anderen ArbeiterInnen der Comurhex begegnet, die ähnlich wie du erkrankt sind?

Ja. Monsieur François Gambard war der Hausmeister der Anlage, er ist an Leukämie gestorben. Hugues Arendo ist an Leukämie erkrankt, ich glaube diese wurde als Berufskrankheit anerkannt. Ihm wurde aber offensichtlich etwas versprochen, öffentlich will er nämlich nichts sagen. Es wurde ihm möglicherweise ein Arbeitsplatz in der Anlage für die Zeit danach versprochen. Die Comurhex ist für solche Praktiken bekannt. Er braucht keine Arbeit, sondern eine Entschädigung. Auch Docteur G., der Werksarzt, ist an Leukämie gestorben. Als ich ihn Ende 1992 getroffen habe, um über meine Krankenakte zu sprechen, da hat er von der Überschreitung eines Grenzwertes im April 1983 gesprochen. Er hat aber betont, dass man wegen einer Anlage wie der Uranraffinerie der Comurhex, nicht an Leukämie erkranken könne.

Ist dein Kampf auch ein Kampf gegen die Atomkraft geworden?

Anlagen wie die in Narbonne-Malvési gibt es weltweit nur fünf. Die Anlage in Narbonne ist die größte. 25 bis26 % des weltweit geförderten Urans läuft über diese riesige Anlage.

Seitdem die Anti-Atom-Gruppe Sortir du nucléaire Aktionen gegen die Anlage durchgeführt hat, interessieren sich die Medien mehr für das Thema. Ich versuche die Öffentlichkeit wach zu rütteln, indem ich meine Geschichte erzähle. Ich habe meinem Anwalt gesagt, wenn sie einen Journalisten haben, der ist für mich! Es ist wichtig diese Anlage zu beleuchten. Sortir du nucléaire hat mit der Blockade eines mit Urantetrafluorid beladenen LKW im September 2013 effektiv dazu beigetragen. Das ist wichtig, das läuft im Fernsehen, die Menschen fangen an nachzudenken. Was zählt ist die Legitimität des Kampfes, die Legalität ist für uns nicht so wichtig. Aktionen sind oft illegal, zum Beispiel wenn Greenpeace in ein AKW eindringt. Der Kampf ist aber legitim. Wenn sie eindringen können, können es auch andere. Es lebe die Sicherheit…

Ungehorsam ist eine Pflicht, das sollten wir nicht vergessen. Ich habe meine Krankenakte gestohlen, das war nicht legal, aber gerecht. Ich wollte wissen. Wir sind Menschen, wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen!

Interview und Übersetzung: Cécile Lecomte

Quelle: Zeitschrift GWR Nr. 395 (Januar 2015)

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Blockade eines UF4 LKW und symbolische 1 Euro Strafe vor Gericht

Die Aktion

Das Bündnis Stop Uranium hat am 12. September 2013 einen mit Urantetrafluorid beladenen LKW blockiert. Mit ihrer Aktion wollten die AktivistInnen auf diese Gefährliche Transporte aufmerksam machen.

Das Bündnis hatte bereits im Juni 2013 den Zugang zur Uranfabrik Comurhex in Malvési blockiert, um die Risiken dieser wenig beachteten Anlage bei Narbonne anzuprangern. Das Bündnis schritt nun wieder zur Tat!

Donnerstag, den 12. September 2013 am frühen morgen: AktivistInnen vom Bündnis Stop Uranium haben mit einer gewaltfreien Aktion einen mit Urantetrafluorid beladenen LKW blockiert, als dieser das Gelände der Comuhrex Uranfabrik in Malvesi gerade verließ. Gegen 10:45 Uhr, verlangsamte ein sich vor dem LKW befindliches Auto das Tempo. AktivistInnen nutzten die Gelegenheit, um sich vor dem LKW hinzustellen und festzuketten. Ca. 50 AktivistInnen nahmen Stellung um das Fahrzeug herum. Einige AktivistInnen legten sich auf der Straße hin. Andere gingen auf die AutofahrerInnen zu, um sie mit Flugblättern über die Hintergründe der Aktionen zu informieren, nämlich die mit den Atomtransporten in die und aus der Comuhrex-Anlage verbundenen Risiken Andere AktivistInnen führten am stehenden LKW Strahlungsmessungen durch. Vor Durchfahrt des Transportes wurden 60 nano Sieverts/Stunde als Untergrundstrahlung in der Luft gemessen. In der Nähe des Transportes waren schon 2800 nano Sieverts/Stunde zu messen. In Berührung mit dem Behälter stieg diese Zahl auf 7200 nano Sieverts/Stunde, das ist 120 mal die durch natürliche Radioaktivität bedingte Untergrundstrahlung.

Täglich fahren 3 bis 5 Atomtransporte auf die Autobahn A5 und A7, sie halten sich auf Raststätten auf,als wäre nichts gewesen! Es stellt sich dabei die Frage, ob die LKW-Fahrer über die mit einer wiederholten Strahlungsaussetzung einhergehenden Gesundheitsrisiken korrekt informiert sind. Gegen 11.15 waren alle AktivistInnen von der Straße geräumt, eine Person wurde in Gewahrsam genommen und am Nachmittag wieder frei gelassen.

Solange die Risiken dieser Transporte nicht anerkannt werden, lassen wir es nicht sein!

Zur Video der Aktion auf Daylimotion

Die Hintergründe

Pressemitteilung vom französischen Netzwerk Atomausstieg (réseau „Sortir du nucléaire“);Übersetzung: Eichhörnchen

AktivistInnen vom Bündnis „Stop Uranium“ blockieren derzeit mit einer gewaltfreien Aktion einen mit Urantetrfluorid beladenen Laster aus der Uranfabrik Comuhrex Malvési bei Narbonne. Das Netzwerk Atomausstieg unterstützt die AktivistInnen und prangert die Risiken von Atomtransporten und von der Nuklearfabrik Malvési an.

Comurhex Malvési, ein Atomklo unter freiem Himmel

Mit seiner Aktion, die zweite in Folge nach einer ersten Blockade im Juni 2013, will das Bündnis die Aufmerksamkeit auf das Risiko, das die Anlage schon im Normalbetrieb für die EinwohnerInnen in der Gegend von Narbonne lenken.

Als erste Etappe des nuklearen Kreislaufes in Frankreich, setzt diese Anlage zahlreiche chemischen und radioaktiven Stoffen in die Umwelt frei.* Eine Folge der Uranverarbeitung ist das Entstehen von unranhaltigem Schlamm. Dieser wird zum Klären gebracht und in unter freiem Himmel im Wind stehenden Becken abgedampft. Dort wurden in der Vergangenheit Plutonium-Spuren gefunden.** Das Uran wird dann in Urantetrafluorid (UF4) umgewandelt. In Kontakt mit Luftfeutigkeit kann dieser Stoff giftige Flusssäure bilden.

Die AnwohnerInnen werden vor diesen gefährlichen Substanzen und vor dieser chronischen Verschmutzung nicht geschützt. 2004 wurden die umliegende Umgebung und ein Bach nach dem Bruch eines Dammes mit radioaktivem Schlamm verseucht. Wenn ein solcher Unfall sich wiederholt, welche Folgen wird dieser für das Weinanbaugebiet und den Gemüseanbau haben? Und für die Kinder des Gymnasiums, das sich nicht mal ein Kilometer von der Anlage entfernt befindet? Trotz der Risiken verfügt die Anlage über keinen Katastrophenschutzplan. Hinzu kommt, dass die Gefahren den EinwohnerInnen verborgen bleiben. Über die radioaktiven giftigen Stoffen, die sich in der Anlage befinden, gibt es kein öffentlich zugängliches Verzeichnis.

Täglich gefährliche Transporte

Der LKW, den die AktivistInnen blockiert haben, ist eins von den 3 bis 5 mit Urantetrafluorid beladenen Fahrzeugen die, nach Informationen der AktivistInnen, jeden Tag die Anlage Malvési verlassen und nach Pierrelatte in die dortige Atomanlage fahren. 60 Tonnen gefährliche Fracht fahren jeden Tag über die französischen Autobahnen A9 und A7. Sie fahren in die Nähe von Montpellier, halten auf Raststätte an, fahren tausenden von Autofahrern über den Weg. Diese Transporte geben eine beträchtliche Menge Gammastrahlung in die Umwelt ab. ***.

Werden die LKW-Fahrer über die mit einer wiederholten Strahlungsaussetzung einhergehenden Gesundheitsrisiken informiert? Werden die von diesen Transporten durchquerten Kommunen über das Risiko die diese darstellen, informiert? Gibt es für den Ernstfall Interventionspläne bei der Feuerwehr?

All diese Fragen bleiben trotz wiederholten Nachfragen bei den Behörden unbeantwortet. Es ist an die Zeit gekommen, dass eine unabhängige Untersuchung über die mit den täglichen Atomtransporten und mit der Comurhex-Anlage in Malvési einhergehenden Risiken durchgeführt wird. Diese Anlage, die verpestet und die Bevölkerung gefährdet, muss so schnell wie möglich stillgelegt werden!

Atomkraft: Vom Uranbergwerk zum Atommüll – es geht uns alle an.

* Uran, Nitrat, Fluorid, Stickoxyd, Ammoniak… Siehe CRIIRAD

** Siehe CRIIRAD

*** Siehe Video von der Criirad

Symbolische Strafe vor Gericht

Aus einer Pressemitteilung von Sortir du nucléaire, Übersetzung Eichhörnchen

Das Netzwerk Sortir du nucléaire freut sich darüber, dass das Gericht von einer Strafe abgesehen hat und die Aktion als legitim angesehen hat.

Am 20. Februar 2014 fand in Narbonne der Prozess gegen AtomkraftgegnerInnen des Bündnis „Stop Uranium“statt, die im September 2013 ein mit Uran beladenen LKW bei seiner Ausfahrt aus der Uranfabrik in Malvési blockiert hatten. Das Gericht sah für diese gewaltfreie Aktion des zivilen Ungehorsams, welche die Gefahren von Atomtransporten anprangert, von einer Strafe ab. Das Netzwerk Sortir du nucléaire freut sich über dieses Ergebnis und sieht darin einen ersten Schritt zur Anerkennung solcher Aktionen als Legitim. Das ist für die AtomkraftgegnerInnen ein Etappensieg.

Rückblick: eine gewaltfreie Blockade um die Risiken von Antomtransporten anzuprangern

40 Personen vom Bündnis STOP-Uranium haben am 12. September 2013 einen mit Urantetrafluorid beladenen LKW blockiert. Mit ihrer Aktion wollten die AktivistInnen auf diese Gefährlichen Transporte aufmerksam machen. Drei bis fünf mit Urantetrafluorid beladene Fahrzeuge fahren jeden Tag zwischen der Uranfabriken Malvési und Tricatin/Pierrelatte. 60 Tonnen gefährliche Fracht fahren jeden Tag über die französischen Autobahnen A9 und A7. Diese Transporte geben eine beträchtliche Menge Gammastrahlung in die Umwelt ab. Weder die Bevölkerung noch die Stadtverordneten werden darüber in Kenntnis gesetzt.

Nach der Aktion wurde von den 40 beteiligten AktivistInnen eine einzige angeklagt. Als Fahrerin des Fahrzeuges, der den Urantransport zum stehen brachte, ging sie Risiko einer zwei Jährigen Haftstrafe sowie 4500 Euro Geldbuße ein. 22 AktivistInnen meldeten sich bei Gericht als „freiwilligen Angeklagten“ (Selbstanzeiger). Mit dieser Handlung wollten sie ihre Solidarität zeigen und an den politischen Charakter der Aktion erinnern. Über 8500 Personen haben den Soliaufruf „ « Nous sommes tout-e-s des bloqueur-ses d’uranium ! " ( wird sind alle UranblockiererInnen) unterschrieben. Am 20. Februar zeigten in Narbonne 60 Menschen ihre Solidarität bei einer Versammlung vor dem Gerichtsgebäude.

Prozess gegen die „UranblockiererInnen“ : ein Sieg für den Antiatomkampf.

Das Gericht lehnte eine Verhandlung gegen die „SelbstanzeigerInnen“ ab. Der Richter beschränkte sich auf eine Verhandlung gegen die Autofahrerin auf Grundlage eines Verkehrsdeliktes. Der Anwalt der Angeklagten verteidigte die Legitimität der Aktion des zivilen Ungehorsams und verwies auf eine Notstandsituation gegenüber der Risiken der Atomkraft. Es wurden verschiedene Zeugen und Sachverständige gehört, die die Notwendigkeit von Protestaktionen gegen Atomtransporte bekräftigten. Didier Latorre, Sprecher des Bündnis STOP-Uranium, erinnerte daran, dass die AktivistInnen keine „ Kriminellen sind, sondern Menschen die angesichts des Schweigens über die Atompolitik in Frankreich mit solchen Aktionen den Finger in die Wunde legen. Die Atomkraft wurde selbst nach Fukushima nicht in Frage gestellt. Für die Durchführung der Aktion wurden die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die Aktion erreichte ihr Ziel, die Gefahren der Uranfabrik in Malvési und der dazugehörigen Transporten ins Licht zu bringen. Die Anzahl an Atomtransporten, die jeden Tag auf der Straße unterwegs sind, wurde erst durch unsere Beobachtungen öffentlich bekannt. Wir stehen heute vor diesem Gericht, obwohl die Firma Comurhex sich seit Jahren über Gesetze und Reglementierungen hinweg setzt.“

Francis Viguier, bezeugte vor Gericht seine Beteiligung an der Aktion als Stadtverordnete, „um dagegen zu protestieren, das wir über diese Transporte und die dazugehörigen Risiken nichts erfahren, obwohl wir als Stadtverordnete für die Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung verantwortlich sind. Ich möchte mich nicht in der Situation vom Oberbürgermeister von Drancy wieder finden, der nicht zu handeln wusste, als in seiner Kommune ein Zug entgleiste.“

Bruno Chareyron, Atomingenieur der CRIIRAD trat als Fürsprecher der Angeklagten in den Zeugenstand, „ um die Notwendigkeit der Verbreitung von Informationen über Atomtransporte in der Bevölkerung zu bekräftigen. Die unterschiedlichen Strahlenschutzgrenzen für die Bevölkerung einerseits und für die Atomtransporte anderseits sind unschlüssig. Es ist außerdem festzustellen, dass selbst die geringste Strahlenbelastung sich gesundheitsschädigend auswirken kann.“ Die CRIIRAD hatte über diese Transporte und die AREVA-Fabrik Comuhrex in Malvési, die sie sehr genau beobachtet, eine ausführliche Liste vorbereitet.

Der Staatsanwalt nahm auf eine durch Sortir du nucléaire eingereichte Klage gegen die AREVA-Comurhex Fabrik in Malvési Bezug. Er betonte jedoch, die Rolle der Justiz sei es nicht, Entscheidungen über das Verhalten von Betreibern von Atomanlagen zu fällen. Er erklärte, die Aktion der AtomkraftgegnerInnen sei dazu geeignet gewesen, gesellschaftliche Entwicklungen auf den Weg zu bringen. Der Stellenwert solcher Aktionen wurde somit implizit anerkannt. Der Richter folgte dem Antrag des Staatsanwaltes. Er sprach die Aktivistin schuldig, von einer Strafe wurde jedoch abgesehen.

Das Réseau “Sortir du nucléaire“ freut sich darüber, dass die Aktion für die AktivistInnen letztlich keine schwere strafrechtlichen Konsequenzen zur Folge gehabt hat. „ Die Einschränkung der Verfolgung auf eine einfache Verkehrsordnungswidrigkeit ist zwar zu bedauern, weil sie den gemeinschaftlichen politischen Charakter der Aktion nicht wiedergibt“, erklärt die Kampagenverantwortliche Laura Hameaux „ in unseren Augen steht jedoch fest: Indem es von einer Strafe abgesehen hat, hat das Gericht die Legitimität der Aktion anerkannt. Es ist zu hoffen, dass die Justiz in ihrem Urteil gegen die kriminellen Machenschaften des Comurhex Malvési Unternehmens genauso viel Klarsicht zeigen wird!“

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